Beschreibung
Diese „Streiflichter“ gedruckt auf Papier, die vor Ihnen liegen, sind wie kleine Scheinwerfer in der Nacht. Sie erhellen Wichtiges und auch Banales, das im Dunkel der vergangenen Zeiten langsam abtaucht und in Vergessenheit gerät. Natürlich hat der eine oder andere noch genaue Erinnerungen, Vorstellungen wie es früher war, aber auch diese Bilder und Gedanken im Kopf sind geprägt von der individuellen Situation.
Es ist schon ein Unterschied, ob man in der vierten, fünften, sechsten oder gar siebenten Generation in Kremkau lebt und hier das Familienerbe bewahrt oder ob man nach dem Krieg als mittelloser Flüchtling in Kremkau strandete und nur sein bisschen Leben retten konnte.
Vielleicht kommt man ja nur aus dem nächsten oder übernächsten Dorf, aber hinter dem schwarzen Graben, und hat hier eingeheiratet. Da kann es passieren, dass man ein ums andere Mal hört: „Du kommst ja hinter dem schwarzen Graben her und da ist noch nie etwas Vernünftiges hergekommen.“ Gut, damit sollte man leben können, wenn man schon von so weit weg herkommt.
Wie schwarz waren die Gräben für die Flüchtlinge, für die Vertriebenen in den vielen Jahren nach dem Krieg?
Oder, ganz einfach so wie für mich und meine Frau, die erst in der Mitte der 1990 Jahre hierhergezogen sind. Wir haben von Gräben, auch von schwarzen, nichts gemerkt, haben versucht uns einzubringen und uns einen Platz in der Gemeinschaft gesucht.
Egal, wie man es macht, die eigene Situation ist doch entscheidend für die Sicht auf die Dinge der Welt und der als Mittelpunkt der Welt kann auch in Kremkau liegen und so heißt auch die Buchmesse in Kremkau: „Mitten in der Welt“.
Nur für die Berliner und irgendwelche eingebildeten Groß- und Kleinstädter liegt die Altmark „IN THE MIDDLE OF NÜSCHT“, für uns ist es Heimat und wichtiger Angelpunkt im Leben.
Manchmal ist es aber auch sehr praktisch, wenn sich der dunkle Mantel des Vergessens über die Vergangenheit legt, denn wie schon gesagt, die Sicht auf die Vergangenheit ist ja sehr individuell geprägt.
Es gibt Dinge in jedem Leben, die hat man vergessen. Nicht weil sie so schlimm oder böse waren, sondern weil andere Ereignisse sie schlichtweg überdeckt haben. Es gibt natürlich auch die andere Seite des Vergessens, die Art von Erinnerungen und Geschehnissen, an die man nicht erinnert werden will, weil diese Dinge schwer auf der Seele lasten.
Oft haben sich die Bedingungen in der Welt geändert und was damals richtig war, ist heute falsch. Mit der Welt ändert sich auch oft die Einstellung zum Leben, besonders die zum eigenen Leben. Ob man sich das aber immer eingesteht oder eingestehen kann, hängt von der eigenen Wahrnehmung und den Umständen ab.
Keine Angst, in diesem Buch geht es nicht um private Enthüllungen, die Streiflichter erhellen die Geschichte der Gemeinde von Kremkau und die ist vielschichtig genug. Wir halten uns an die überlieferte Geschichte und an erzählte Geschichten, denn diese sind bunt genug.
Natürlich kommen auch Menschen in den Geschichten vor, aber es wird immer darauf geachtet, diese Menschen in ihrem Kontext und ihrem Umfeld so objektiv wie möglich dazustellen und in die Zeiten einzuordnen.
Es soll Licht ins Dunkel der Geschichte gebracht werden, an „schwarzen Gräben“, die trennen können, hat hier niemand Interesse.
Helmut Kurt Block (Hrsg.) November 2024