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Luise Malzahn:
Greif zu – die Welt wartet Meine Reise als Judoka

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Artikelnummer: ISBN: 978-3-98582-031-3 Kategorien: , ,

Beschreibung

Wenn ich nur daran denke, wie es mir heute Morgen noch ging! Nie im Leben hätte ich mir ausgemalt, heute Abend im Finale zu stehen. Nach dem Aufstehen habe ich meine Augen nicht richtig aufbekommen, so zugequollen waren meine Lider. Die zwei Kilogramm Abschwitzen gestern waren echt zu viel. Ich hätte nach der Waage nicht so viel auf einmal trinken sollen … Das nächste Mal muss ich besser Gewicht machen!
Ein rotes Warnschild ploppte vor meinem inneren Auge auf – gerade noch rechtzeitig. Den Tipp hatte mir meine Sportpsychologin gegeben: Der „Gedankenstopp“ sollte mir während des Wettkampfes helfen, wieder meinen Fokus zu finden. Viel zu oft waren meine Gedanken überall, nur nicht bei der Sache.
Es wirkte. Ich war wieder im hier und jetzt.

Ich trippelte im Aufenthaltsbereich auf der Stelle, kurz hinter der Judoanzug-Kontrolle. Der Finalblock des Grand Slams war bereits in vollem Gange. Aus der Arena hörte ich das Publikum toben, es feuerte die Kämpferinnen des kleinen Finales um Bronze in meiner Gewichtsklasse an. Der Flatscreen vor mir zeigte die Livebilder aus der Halle. Ich konnte nicht hinschauen. Stattdessen blieb mein Blick auf dem Bildschirm daneben haften.
Mein Name stand an zweiter Stelle, daneben der Name meiner deutschen Konkurrentin. Als Nächstes waren also wir an der Reihe. Jede Sekunde konnte der gerade laufende Wettstreit vorbei sein, und ich müsste in meinen Kampfmodus umstellen.
Warum dauerte das nur so lange?
Meine Aufregung stieg. Ich spürte meinen Puls in den Schläfen.
Einatmen. Ausatmen.
Allmählich beruhigte sich mein Herzschlag.
In meinem Körper baute sich die gewohnte Spannung auf – da durchbrachen aggressive Schreie die Stille. Auch meine Konkurrentin bereitete sich auf das Duell vor. Ich spürte, wie Respekt in mir hochstieg.
Silber in einem Grand Slam ist doch auch okay! Ich habe heute schon so viele großartige Judokas geschlagen, das war ein super Erfolg.
NEIN! NEIN! NEIN!, unterbrach ich mich. Auf keinen Fall durfte ich mich damit zufriedengeben.
Nach der langen Durststrecke war ich endlich wieder auf Kurs. In knapp einem Jahr waren die Olympischen Spiele. Längst hatte die heiße Phase begonnen. Alle Augen waren auf das Kopf-an-Kopf-Rennen in meiner Gewichtsklasse gerichtet. Die Routinierte gegen die junge Wilde. Zwar wusste ich, dass sie eine ernst zu nehmende Konkurrentin war. Aber dass sie heute hier mit mir in diesem Finale stehen würde, hätte ich nicht gedacht. Dafür war das Starterfeld einfach zu stark gewesen. Doch nun standen wir hier, und jede von uns bereitete sich auf ihre eigene Art und Weise auf diesen Endkampf vor.
Ich drehte die Lautstärke an meinen Kopfhörern auf. Immer wieder hüpfte ich von einem Bein aufs andere, klatschte meine Arme und Beine ab, sodass mein Körper einigermaßen auf Betriebstemperatur blieb.
Wann ist dieser Bronzekampf endlich zu Ende?
Der Beat lenkte mich von meiner Ungeduld ab. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf den Refrain. Wieder einmal schaffte es Helene Fischer mit ihren leichten, fröhlichen Texten, in mir eine gewisse Lockerheit hervorzurufen. Es war genau das, was ich brauchte, um erfolgreich zu kämpfen. Keinen Druck, keine Aggressivität, sondern einfach nur die Überzeugung, mit meinem Judo jede Gegnerin schlagen zu können. Das war der Schlüssel. Als das Lied langsam ausklang, öffnete ich die Augen.
Mein Name auf dem Bildschirm war eine Zeile nach oben gesprungen. Es war so weit. Ich nahm einen letzten tiefen Atemzug, packte meine Kopfhörer in den Ablagekorb, richtete noch einmal meinen Judoanzug, zog den Gürtel straff und betrat die Arena …